Anhörung zur Aufarbei­tung von Zwangsadop­tionen in der DDR

Date of article: 19/06/2018

Daily News of: 19/06/2018

Country:  Germany

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Article language: de

In einer öffentlichen Expertenanhörung befasst sich der Petitionsausschuss unter Vorsitz von Marian Wendt (CDU/CSU) am Montag, 25. Juni 2018 mit einem sehr düsteren Kapitel (ost)deutscher Vergangenheit. Die Sitzung beginnt um 11.30 Uhr im Raum 1.228 des Jakob-Kaiser Hauses statt.

Die Sitzung wird zeitversetzt am Dienstag, 26. Juni 2018, ab 16 Uhr im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.

Petenten: Eltern suchen noch immer nach Antworten

Die „Interessengemeinschaft Gestohlene Kinder der DDR“ hatte Anfang April eine Petition eingereicht, in der die Aufarbeitung des Themas Zwangsadoptionen in der DDR gefordert wird. Hintergrund ist, das seinerzeit Kinder – vielfach auch Säuglinge – von staatlichen Stellen für Tod erklärt wurden (plötzlicher Kindstod) – tatsächlich aber zur Adoption freigegeben wurden. In anderen Fällen wurden die Eltern durch den Druck staatliche Stellen der DDR zur Adoption gezwungen.

Nach Ansicht der Petenten ist die Aufarbeitung von Zwangsadoption und ungeklärtem Säuglingstod in der ehemaligen DDR „bis heute nicht umfassend und vollständig erfolgt“. Die betroffenen leiblichen Eltern würden noch immer nach Antworten suchen, schreiben die Petenten. Sie fordern unter anderem die Schaffung von Rahmenbedingungen, die es ermöglichten, eine neutralen und rechtsstaatlichen Grundsätzen folgende Aufklärung zu betreiben. Dazu bedürfe es der Einrichtung einer unabhängigen Clearingstelle mit umfassenden Ermittlungsrechten.

Fonds zur Aufklärung Säuglingstod und Zwangsadoption gefordert

Außerdem müssten die Aufbewahrungsfristen aller relevanten Informationen auf mindestens einhundert Jahre verlängert werden. Die Digitalisierung sowie die zentrale Aufbewahrung dieser Dokumente müsse bei einer zentralen noch festzulegenden Stelle erfolgen, fordern die Petenten. Sie plädieren außerdem für die Einrichtung und Ausstattung eines Fonds „Aufklärung Säuglingstod und Zwangsadoption in der DDR“ zur Sicherstellung der Finanzierung aller im Zusammenhang mit der vollständigen Aufklärung entstehenden Aufwendungen und Kosten.

In der Petition wird des Weiteren die Einrichtung und Finanzierung von regional zuständigen hauptamtlichen Familienbetreuungscentern zur umfassenden Betreuung Betroffener insbesondere zur Unterstützung und Begleitung beim Wiederherstellen familiärer Beziehungen zwischen adoptierten Kindern und leiblichen Eltern sowie den Adoptions-Eltern gefordert.

Erste Expertenanhörung des Ausschusses zu einer Petition

Anlässlich der Übergabe der Petition am 5. April 2018 sagte der Vorsitzende des Petitionsausschusses, Marian Wendt: „Das Anliegen der Petition und den Unmut der Petenten kann ich gut nachvollziehen. Kinder von Eltern aus rein politischen Gründen zu trennen, ist eine der größten Tragödien für die betroffenen Familien. Das vielleicht letzte Kapitel DDR-Unrecht muss endlich aufgearbeitet werden.“

Zu dieser Aufarbeitung soll auch die Anhörung dienen. Ein Novum im Übrigen: Erstmals in der Geschichte des Petitionsausschusses werden sich Experten in einer öffentlichen Anhörung zu einer Petition äußern. Neben dem Initiator der Petition, Andreas Laake, von der „Interessengemeinschaft Gestohlene Kinder der DDR“ werden weitere fünf Experten den Abgeordneten Auskunft geben. Unter ihnen ist die Historikerin Agnes Arp, Dr. Christian Sachse, Mitarbeiter der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. und Dr. Marie-Luise Warnecke, Mitverfasserin der im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellten Vorstudie des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam „Dimension und wissenschaftliche Nachprüfbarkeit politischer Motivation in DDR-Adoptionsverfahren zwischen 19666 und 1990“. Außerdem sind Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen der DDR, und Dr. Maria Nooke, Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der Kommunistischen Diktatur, geladen.

Handlungsempfehlungen für Gesetzgeber

Die Experten sollen unter anderem darüber Auskunft erteilen, welche tatsächlichen Erkenntnisse bislang zum Themenkreis „Zwangsadoptionen und Säuglingstod/Kindesentzug in der DDR“ vorliegen und wie die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten der Einsichtnahme in Adoptionsakten aus der Zeit vor 1989 sind.

Thematisiert wird während der Sitzung auch, welche Möglichkeiten es derzeit für adoptierte Kinder gibt, Nachforschungen nach ihren leiblichen Eltern anzustellen und welche Möglichkeiten es für Eltern gibt, denen ihr Kind entzogen worden ist. Gefragt wird außerdem, welche Handlungsempfehlungen sich für den Gesetzgeber aus den bisher vorliegenden Erkenntnissen im Sinne der Petenten ergeben. (hau/19.06.2018)

Zeit: Montag, 25. Juni 2018, 11:30 bis 13:30 Uhr
Ort:  Berlin, Jakob-Kaiser-Haus, Sitzungssaal 1.228

Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (Tel.: 030/227-35257, Fax: 030/227-36053, E-Mail: vorzimmer.peta@bundestag.de) unter Angabe des Vor- und Zunamens und des Geburtsdatums anmelden. Zum Einlass muss das Personaldokument mitgebracht werden.

Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.

Liste der Sachverständigen

  • Agnes Arp, Historikerin
  • Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen der DDR
  • Andreas Laake, Initiator der Petition von der „Interessengemeinschaft Gestohlene Kinder der DDR“
  • Dr. Maria Nooke, Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der Kommunistischen Diktatur
  • Dr. Christian Sachse, Mitarbeiter der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V.
  • Dr. Marie-Luise Warnecke, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

 

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