Pflege: Menschenwürdige lebensbedingungen nur mit motivierenden arbeitsbedingungen

Date of article: 28/02/2024

Daily News of: 01/03/2024

Country:  Austria

Author: Austrian Ombudsman Board

Article language: de

Dass Österreichs Pflegesystem dringend reformbedürftig ist, wird von niemandem mehr bestritten. Zu knappe Personalbemessung und schlechte Rahmenbedingungen machen nicht nur den Beschäftigten zu schaffen und führen zu hohen Ausstiegsraten in den Pflegeberufen, sie machen es den Pflegekräften auch trotz aufopfernden Engagements sehr schwer, eine menschenwürdige Betreuung der zu Pflegenden sicherzustellen. Darauf hatte Volksanwalt Bernhard Achitz vor genau vier Jahren in einer Pressekonferenz gemeinsam mit den AK-Präsidenten Johann Kalliauer (Oberösterreich) und Erwin Zangerl (Tirol) hingewiesen. „Dann ist die Corona-Pandemie ausgebrochen, die die Lage weiter verschärft hat. Trotz sinnvoller Maßnahmen wie zum Beispiel Pflegeausbildungsprämien ist der Personalmangel aber enorm. Er ist Grund für viele Beanstandungen, wenn die Kommissionen der Volksanwaltschaft Alten- und Pflegeheime, aber auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Kinder- und Jugend-WGs kontrollieren.“ Ein Blick auf die Forderungen vier Jahre später zeigt: Sie gelten nach wie vor.

Steht Personal unter Zeitdruck, steigt Risiko für Menschenrechtsverletzungen

„Die Volksanwaltschaft kontrolliert jedes Jahr hunderte Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderung leben – und regelmäßig stoßen wir dabei auf Menschenrechtsverletzungen“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „In den allermeisten Fällen ist offensichtlich: Das Pflegepersonal tut sein Bestes, aber die Rahmenbedingungen machen ganzheitliche, aktivierende und integrierte Pflege und Betreuung schwierig bis unmöglich.“ Beispiele für Probleme durch zu wenig Pflegepersonal: Ruhigstellung durch Medikamente, Einsperren, Freiheitsentzug durch schwer zu öffnende Türen oder Liftsperren, Mangelernährung oder Dehydration, Abendessen schon am Nachmittag, vorzeitige Nachtruhe, fehlende Beschäftigungsangebote und fehlende Hygiene.

Verbesserungen sind etwa durch spätere Nachtruhe, flexible Essenszeiten, Abendprogramm auf den Stationen oder Begleitung in den Garten möglich. Dafür ist mehr Personal notwendig. Auch mehr Fortbildungen sind erforderlich, etwa zu Gewalt und Deeskalationsmanagement. „Klar ist: Menschenrechtsverletzungen müssen sofort beseitigt werden“, fordert Achitz. „Ausreichende finanzielle Mittel und entsprechend qualifiziertes Personal sind der Schlüssel für menschenwürdige Bedingungen. Steht das Personal unter Zeitdruck, steigt das Risiko für Menschenrechtsverletzungen, weil nur noch das Notwendigste erledigt werden kann“, so der Volksanwalt. Damit ausreichend Menschen für den Pflegedienst gewonnen werden können, müssen die Bedingungen besser werden.

Read more

Volksanwalt Achtiz: Österreich hat grosse Umsetzungsdefizite bei der Istanbul-Konvention

Date of article: 26/02/2024

Daily News of: 27/02/2024

Country:  Austria

Author: Austrian Ombudsman Board

Article language: de

„Österreich gehört zu den ersten Staaten, die die Istanbul-Konvention ratifiziert haben. Aber es gibt nach wie vor erhebliche Umsetzungsdefizite“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Vor allem fehlen zwischen Bund und Ländern koordinierte Strategien und ein bundesweiter Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.“ Die Einhaltung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird von einem Komitee von internationalen Expertinnen und Experten (GREVIO, Group of Experts on action against violence against women and domestic violence) laufend überprüft. Beim letzten Österreich-Besuch hat GREVIO auch die Volksanwaltschaft als Nationales Menschenrechtsinstitut befragt. „Geschlechts-spezifische Gewalt ist eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung, und Österreich mit seiner erschreckend hohen Zahl an Femiziden hat noch viel zu tun, um sie zu verhindern“, so Achitz.

Weitreichende Verpflichtungen zu Gewaltprävention, Opferschutz und Strafverfolgung

Die Istanbul-Konvention trat 2014 in Kraft. Zentrale Zielgruppe aller darin enthaltenden Vorgaben sind alle heterosexuellen, lesbischen, bisexuellen Frauen und Mädchen sowie alle Personen, die sich als Frau identifizieren, zum Beispiel auch intergeschlechtliche und Trans-Frauen sowie nicht binäre Personen. Sie enthält weitreichende Verpflichtungen zur Gewaltprävention, zum Schutz von Opfern und zur wirksamen Strafverfolgung. Die Vorgaben betreffen unter anderem Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, die Schaffung adäquater Hilfseinrichtungen, die strafgerichtliche Verfolgung von Gewalthandlungen und die Unterstützung von Opfern im Strafprozess.

In Österreich gibt es nach wie vor erhebliche Umsetzungsdefizite, nicht nur was Daten über die Gewalt gegen Frauen oder die Betreuung der Opfer betrifft. Vor allem fehlen zwischen Bund und Ländern koordinierte Strategien und ein bundesweiter Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Erhebliche Umsetzungsdefizite werden auch bei der Aus- und Weiterbildung von Berufsgruppen festgestellt, die mit Opfern oder Täterinnen und Tätenr von geschlechtsspezifischer Gewalt zu tun haben.

Besonders gefährdet: Frauen mit Behinderungen, Migrantinnen, Asylsuchende, wohnungslose Frauen, Transfrauen

„Mit gewaltpräventiven Methoden von der Stange lassen sich angesichts der Komplexität und unterschiedlichsten Risken in den Lebenswelten von Frauen und Mädchen keine Fortschritte erzielen. Barrieren beim Zugang zu Beratungs- und Schutzstrukturen müssen abgebaut werden“, so Volksanwalt Achitz: „Vor allem Frauen mit Behinderungen, Migrantinnen, Asylsuchende, wohnungslose Frauen, Transfrauen und Frauen ohne Papiere haben es besonders schwer, wirksamen Schutz vor Gewalt einzufordern.“ Auf deren Situation hat die Volksanwaltschaft auch mit der Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Eine von fünf“ im November aufmerksam gemacht. Achitz: „Sie brauchen ein umfassendes niedrigschwelliges und diskriminierungsfreies Hilfesystem, um zu ihrem Recht zu kommen – und wohl auch das Vertrauen, dass ihnen dort effektiv geholfen wird.“

Zum Nachschauen: „Doppelt benachteiligt? – Ein gewaltfreies Leben für ALLE Frauen!“

Die Auftaktveranstaltung zur Ringvorlesung „Eine von fünf“ wählte 2023 bewusst einen intersektionalen Zugang zum Thema „Gewalt an Frauen“. Expertinnen diskutierten, wie Frauen aus bestimmten gesellschaftlichen Gruppen von Gewalt betroffen sind. Funktionieren die vorhandenen Anlaufstellen für gewaltbetroffene Frauen für alle Frauen? Welche Angebote braucht es für die unterschiedlichen Communities?

Podiumsdiskussion mit Désirée Sandanasamy, Zara – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, Stefanie Stanković, Influencerin, Trans-Aktivistin und Make-Up-Artist, Danijela Cicvaric, Leiterin Romano Centro, Henriette Gschwendtner, Behindertenaktivistin, Armutsbetroffene. Moderation: Solmaz Khorsand, Journalistin und Autorin.

SERVICE: Die Volksanwaltschaft ist unter post@volksanwaltschaft.gv.at sowie unter der kostenlosen Servicenummer 0800 223 223 erreichbar.

Read more

Sexuelle Sebstbestimmung von Menschen mit Behinderungen: Österreich erfüllt UN-BRK nicht

Date of article: 23/02/2024

Daily News of: 23/02/2024

Country:  Austria

Author: Austrian Ombudsman Board

Article language: de

Das Recht auf Selbstbestimmung ist einer der zentralen Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Österreich hat sich zur Umsetzung verpflichtet. Menschen mit Behinderungen müssen die Freiheit haben, eigene Entscheidungen zu treffen und ihr Leben möglichst selbstbestimmt zu gestalten. Sie sollen leben können, wie und mit wem sie wollen. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein Teil des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben und gilt selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben.

Sexualität gehört zu den existentiellen Bedürfnissen und ist für Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit und Wohlbefinden von Bedeutung. Aus menschenrechtlicher Sicht ist das Thema „Sexualität von Menschen mit Behinderungen“ für die Volksanwaltschaft in verschiedener Hinsicht relevant. Einerseits umfasst die Prävention sexueller Gewalt bzw. Missbrauchs den Kern des Mandats zur Präventiven Menschenrechtskontrolle. Andererseits haben Menschen mit Behinderungen, so wie alle anderen, ein Recht auf Selbstbestimmung, Privatsphäre und sexuelle Gesundheit.

In einigen Einrichtungen mussten die Kommissionen der Volksanwaltschaft aber feststellen, dass Menschen mit körperlicher und/oder intellektueller Behinderung als geschlechtsneutrale Wesen betrachtet werden. Daher haben sich Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen darauf geeinigt, die Selbstbestimmtheit und sexuelle Selbstbestimmung als Prüfschwerpunkt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung festzulegen. Dafür wurden von April 2022 bis Juni 2023 161 Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen in ganz Österreich besucht.

Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gilt auch in Einrichtungen

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein Teil des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben und gilt selbstverständlich im Sinne des Normalitätsprinzips auch für Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben. Sexualität umfasst das biologische Geschlecht, Geschlechtsidentitäten und Rollen, sexuelle Orientierung, Erotik, Lust, Intimität und Fortpflanzung.

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung bedeutet, Rahmenbedingungen zu schaffen, die selbstbestimmte Sexualität von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen ermöglichen. Es beinhaltet aber auch den Schutz vor sexueller Gewalt und vor Missbrauch. Volksanwalt Bernhard Achitz: „Wir haben daher geprüft, ob die Rahmenbedingungen einerseits den Schutz vor sexueller Gewalt bestmöglich gewährleisten, und andererseits, ob sie selbstbestimmte, erfüllte Sexualität nicht verhindern.“

Große Fortschritte, aber noch viel zu tun

Isabella Scheiflinger, die Kärntner Anwältin für Menschen mit Behinderung: „Wesentlich ist, dass sich Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung leben, ganz selbstverständlich und multidisziplinär mit dem Bedürfnis ihrer Bewohnerinnen und Bewohner nach Liebe, Zärtlichkeit und Sexualität aktiv auseinandersetzen.“ Scheiflinger spricht u.a. die Aufklärung der Bewohnerinnen und Bewohner, die Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner in Beziehungskrisen, aber auch die Stärkung der Bewohnerinnen und Bewohner gegenüber den Angehörigen, oftmals den Eltern, an. „Für einzelne Eltern ist es nur schwer vorstellbar, dass ihre Kinder mit zum Teil hochgradigen Behinderungen ein Bedürfnis nach Sexualität haben“, berichtet Scheiflinger aus ihrer Tätigkeit als Kärntner Behindertenanwältin und plädiert dafür, auch im Bereich der Angehörigenarbeit entsprechend zu sensibilisieren.

In den vergangenen Jahren gab es große Fortschritte: Einige Teams fördern die sexuelle Selbstbestimmung. In manchen Einrichtungen eine offene Haltung zur Sexualität. Bewohnerinnen und Bewohner vielfältig und einfühlsam beraten und unterstützt, Partnerschaften sind möglich. Immer wieder bieten Einrichtungen auch Beratung und Begleitung zu Kontaktbörsen an. Aufklärung in Leicht Lesen und Unterstützte Kommunikation werden angeboten – aber noch viel zu selten. Achitz: „Das Ziel muss sein, dass 100 Prozent der Menschen in den Einrichtungen einbezogen werden.“

  • Volksanwalt Achitz der Kärntner Anwältin für Menschen mit Behinderung sitzend beim Pressegespräch vor den Roll-ups der Volksanwaltschaft.

    Volksanwalt Achitz stellte den Prüfschwerpunkt "Sexuelle Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen" im Rahmen eines gemeinsamen Pressegesprächs mit Isabella Scheiflinger, der Kärntner Anwältin für Menschen mit Behinderung vor.
    Bildnachweis: Volksanwaltschaft

DOWNLOADS

Read more

Achitz: Mindestsicherung in existenzsichernder Höhe notwendig

Date of article: 20/02/2024

Daily News of: 21/02/2024

Country:  Austria

Author: Austrian Ombudsman Board

Article language: de

"Die Bundesregierung hat sich „zum Ziel gesetzt, durch verschiedene Maßnahmen in der kommenden Legislaturperiode den Anteil von armutsgefährdeten Menschen im ersten Schritt zu halbieren“, heißt es im Regierungsprogramm 2020 – 2024. „Aus der in manchen Bundesländern sinkenden Zahl der Sozialhilfe-Bezieherinnen und -Bezieher darf man aber nicht schließen, dass der Regierung ihr Vorhaben bereits gelungen wäre“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Es gibt Hinweise, dass Menschen, die eigentlich Anspruch auf Sozialhilfe hätten, durch extensive Auslegung der Mitwirkungspflicht vergrault werden. Nicht nur Amnesty International, sondern auch der Volksanwaltschaft kommen immer wieder Fälle unter, wo Erwachsene ihre Eltern klagen sollen, oder Pensionistinnen bzw. Pensionisten ihre Kinder.“ Auch bei den letzten beiden NGO-Foren der Volksanwaltschaft berichteten einige Organisationen über das restriktive Sozialhilfe-Regime der Bundesländer.

„Seit es das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes gibt, haben die Länder kaum mehr Spielraum, in ihren Ausführungsgesetzen einer Verfestigung von Armut entgegenzuwirken“, kritisiert Achitz. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat sowohl den Zugang als auch die Höhe der Sozialhilfe begrenzt. „Eine Mindestsicherung in existenzsichernder Höhe wird wegen der aktuellen Teuerung dringend gebraucht, ebenso höheres Arbeitslosengeld“, so Achitz: „Um Eingriffe in bewährte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu erschweren, müssen Soziale Grundrechte in der Verfassung verankert werden.“ Einen umfassenden österreichischen Grundrechtskatalog schnellstmöglich in Angriff zu nehmen, ist ebenfalls im Regierungsprogramm vorgesehen.

Zu drastischen Kürzungen kam es bei Menschen mit Behinderungen, die bei ihren Eltern leben. Volksanwalt Achitz: „Menschenrechtlichen Prinzipien wie Inklusion, Partizipation, Autonomie und nicht zuletzt das Recht auf den Zugang zum Recht auch für Armutsbetroffene müssten im Sozialhilferegime stärker verankert werden.“

SERVICE: Die Volksanwaltschaft ist unter post@volksanwaltschaft.gv.at sowie unter der kostenlosen Servicenummer 0800 223 223 erreichbar.

Read more

Schikanen beim Kinderbetreuungsgeld gehen weiter

Date of article: 13/02/2024

Daily News of: 13/02/2024

Country:  Austria

Author: Austrian Ombudsman Board

Article language: de

Vor genau vier Jahren hat die Volksanwaltschaft in einer „kollegialen Missstandsfeststellung“ das Familienministerium heftig kritisiert, weil es Jungfamilien jahrelang auf das Kinderbetreuungsgeld warten lässt. Die juristischen Argumente prallten an der Ministerialbürokratie ab, auch mehrere Höchstgerichtsurteile, die die Rechtsansicht der Volksanwaltschaft bestätigen, haben zu keiner Änderung geführt. Eine Mutter musste acht Jahre auf das Kinderbetreuungsgeld warten. „Aber Ministerin Susanne Raab hat offenbar ihre rechtswidrigen Anweisungen an die Behörden noch immer nicht geändert“, kritisiert Volksanwalt Bernhard Achitz. 

Immer noch regelmäßig Beschwerden bei der Volksanwaltschaft

„Was muss nach den OGH-Urteilen noch passieren, bis Raab endlich einlenkt und die Schikanen gegen Eltern einstellt?“, fragt Achitz: „Auch nach dem Höchstgerichtsurteil melden sich bei der Volksanwaltschaft verzweifelte Eltern, die jahrelang auf das Kinderbetreuungsgeld warten, weil das Familienministerium sie diverse in- und ausländische Behörden abklappern lässt, um irgendwelche Dokumente zu beschaffen, die es gar nicht gibt. Raab muss diese europarechtswidrige Praxis endlich abschaffen, bürgerinnenfreundlich vorgehen und das Kinderbetreuungsgeld rasch überweisen.“

Europarechtswidrig: Behörde wälzt Verpflichtungen auf Eltern ab

„Seit Jahren kritisieren die Volksanwaltschaft und auch die Arbeiterkammer die familienfeindliche und EU-rechtswidrige Vorgehensweise der Behörden, die auf Weisung der Frauenministerin Eltern massive Hürden in den Weg stellen. Die Pflicht der Behörden, mit Behörden anderer Länder herauszufinden, wer zuständig ist, wird auf die Eltern abgewälzt. Bürgerinnenfreundlich und nach EU-Recht geboten wäre, wenn die österreichischen Behörden das Kinderbetreuungsgeld an die in Österreich lebenden Familien vorläufig auszahlen und im Hintergrund regeln, wer zuständig ist. Trotz Höchstgerichtsurteil melden sich weiterhin Betroffene bei der Volksanwaltschaft, insgesamt bereits mehr als hundert. Eine Reform ist überfällig – sowohl bei der Vollziehung als auch auf gesetzlicher Ebene“, so Achitz.

Mehr zum OGH-Urteil

Härtefall-Klausel: Parlament hat auf Kritik der Volksanwaltschaft reagiert

„Auf einen anderen Kritikpunkt der Volksanwaltschaft hat das Parlament mit einer Gesetzesänderung reagiert: Eine Härtefall-Regel beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld wurde im Oktober beschlossen“, so Volksanwalt Achitz. Anlass für die Kritik der Volksanwaltschaft war eine alleinerziehende Mutter, die nach dem plötzlichen Tod des Vaters kein Kinderbetreuungsgeld erhalten hatte. Denn die Härtefallverlängerung im KBGG sah zwar vor, dass ein Elternteil das Kinderbetreuungsgeld der Partnerin bzw. des Partners für maximal drei Monate weiter beziehen kann, wenn diese bzw. dieser verstirbt. Das galt bisher aber nicht für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld. Um nun alle Eltern in jenen Härtefällen, in denen ein Elternteil aus bestimmten, schwerwiegenden Gründen durch den Wegfall des gemeinsamen Haushalts mit dem Kind am Bezug des Kinderbetreuungsgeldes verhindert ist, zu unterstützen, unabhängig vom gewählten Kinderbetreuungsgeld-System, soll nun auch beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld der Bezug verlängert werden – allerdings nur für maximal zwei Monate.

Read more

Kein Krankenstand in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen

Date of article: 03/02/2024

Daily News of: 07/02/2024

Country:  Austria

Author: Austrian Ombudsman Board

Article language: de

Menschen mit Behinderungen bekommen in den „Werkstätten“, in denen sie arbeiten, nur Taschengeld statt Lohn. Das kritisiert die Volksanwaltschaft schon lange. Nun ist ein neuer Aspekt des Problems aufgetaucht: Weil die Beschäftigung von Christian S. nicht als Arbeitsverhältnis gilt, kann er auch nicht in Krankenstand gehen. Die Zeit, die er krank war und in der Werkstatt gefehlt hat, wurde ihm von den 50 jährlich erlaubten Fehltagen pro Jahr abgezogen. Nun hat er keine Tage mehr übrig, um auf Urlaub zu gehen oder Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Denn für jeden zusätzlichen Fehltag müsste er 60 Euro zahlen – unleistbar! „Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, denn auch Menschen mit Behinderungen haben ein Selbstbestimmungsrecht über ihren Aufenthaltsort sowie ein Recht auf Familienleben“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz.

In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 3. Februar sah auch ein Vertreter von Jugend am Werk, der Trägerin der Einrichtung, wo S. arbeitet, Änderungsbedarf. Und auch im Fonds Soziales Wien, der die Regelung mit den Fehltagen vorschreibt, sagte man zu, über Änderungen nachdenken zu wollen. Man müsse aber sorgsam mit öffentlichen Mitteln umgehen, sie müssten effizient eingesetzt werden.

„Lohn statt Taschengeld“: Bericht des Sozialministeriums ist da, jetzt Umsetzung angehen!

Achitz verwies auf den Sonderbericht „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“, in dem die Volksanwaltschaft vor mehr als vier Jahren Lohn statt Taschengeld sowie sozialversicherte Arbeitsverhältnisse für Menschen in „Werkstätten“ gefordert hat: „Die Umsetzung würde wohl auch bedeuten, dass Herr S. wie andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Krankenstand gehen könnte, ohne dass dadurch sein Urlaubsanspruch verfällt.“ Die Bundesländer sind ebenso gefordert wie der Bund. Das Sozialministerium hat einen Bericht angekündigt, der nun mit großer Verspätung endlich vorliegt. Achitz: „Jetzt müssen alle Beteiligten rasch in die Gänge kommen, damit ‚Lohn statt Taschengeld‘ noch in dieser Gesetzgebungsperiode Wirklichkeit wird. Und die dauert planmäßig nur mehr bis September.“

Niederösterreich ignoriert Recht auf Selbstbestimmung, das durch UN-BRK garantiert wird

Auch in Niederösterreich haben Menschen mit Behinderungen Probleme mit limitierten Fehltagen. Gerhard A. etwa lebt in einer Einrichtung, aber die Wochenenden will er bei seinen Eltern verbringen. Seine Mutter holt ihn jedes Wochenende nachhause. Er darf aber auf maximal 82 Fehltage im Jahr kommen – wenn er also jedes Wochenende von Freitag bis Sonntag oder gar Montag nicht in der Einrichtung übernachtet, geht sich das nicht aus. Und für Urlaub bleiben sowieso keine Tage mehr übrig. Seine Mutter holt ihn daher samstags in der Früh mit dem Auto ab und bringt ihn am Abend zurück. Am Sonntag wiederholt sich die Tour.

„Österreich hat die UN-BRK unterzeichnet, Niederösterreich muss die freie Wahl des Aufenthaltsorts ermöglichen“, forderte Volksanwalt Achitz schon vor einem Jahr in „Bürgeranwalt“ von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, doch das Land Niederösterreich bewegte sich keinen Millimeter. Das Argument, dass die Einrichtung, in der A. lebt, öffentlich finanziert sei und daher auch am Wochenende voll belegt sein müsse, lässt Achitz nicht gelten: „Für Menschen mit Behinderungen gilt das Recht auf Selbstbestimmung des Aufenthaltsorts genauso wie für alle anderen Menschen. Auch wer in einer öffentlich finanzierten Gemeindewohnung lebt, darf diese schließlich am Wochenende verlassen, um Urlaub zu machen oder Zeit mit der Familie zu verbringen.

Read more

Active facets

Link to the Ombudsman Daily News archives from 2002 to 20 October 2011